Hinterpommern, 5. März 1945: Der Zweite Weltkrieg tobt auch hier mit unverminderter Brutalität. Hunderttausende deutsche Zivilisten fliehen vor der vorrückenden Roten Armee. Bis zur Großoffensive der Sowjets im Januar 1945 gelten die deutschen Ostgebiete als „Luftschutzkeller des Reiches“. Zahlreiche Schulen aus deutschen Großstädten werden nach Pommern, Ostpreußen und Schlesien evakuiert. Entlang der Küste entstehen Kinderheime im Rahmen der Kinderlandverschickung. Doch nun stehen die sowjetischen Truppen vor der Tür und Panik breitet sich aus.
Per Luftbrücke werden tausende Kinder auf die Insel Rügen evakuiert. Die Drehscheibe der Luftbrücke ist der Fliegerhorst am Kamper See, westlich von Kolberg. Am 5. März 1945 hebt nochmals ein Wasserflugzeug der Marke Dornier DO-24 ab, um weitere Kinder nach Rügen in Sicherheit zu bringen. Doch bei diesem Vorhaben passiert eine unvorstellbare Tragödie. Das Flugzeug stürzt vor den Augen vieler Flüchtlinge, die auf der Flucht nach Westen sind, senkrecht in den Kamper See. Mindestens 78 Menschen, vor allem Kinder, verlieren ihr Leben. Nur eine Betreuerin wird gerettet. Die genaue Ursache des Absturzes bleibt bis heute ungeklärt. Vermutet wird eine Überladung der für maximal 16 Passagiere ausgelegten Maschine sowie möglicherweise ein gezielter Abschuss durch vorrückende sowjetische Panzer.
Jahrzehntelang gerät diese Tragödie in Vergessenheit. Erst 65 Jahre später beginnen polnische Historiker und Hobbytaucher, die Umstände des Absturzes zu erforschen. Sie orten das Wrack und sichern Teile davon. Das Ziel: Das Wrack zu bergen und die Überreste der Verstorbenen würdevoll zu bestatten.
Heute erinnern polnisch-deutsche Initiativen an die „Kinder vom Kamper See“. Eine Gedenktafel vor Ort und die jährliche Gedenkfeier am 5. März am Resoko Przymorskie (wie der Kamper See auf Polnisch heißt) halten das Andenken an die Tragödie lebendig und würdigen die Opfer, die wie das Flugzeugwrack noch immer auf dem Grund des Sees liegen.