Der Untergang der Wilhelm Gustloff

Am 30. Januar 1945 sinkt die „Wilhelm Gustloff“ vor Pommern.
Am 30. Januar 1945 sinkt die „Wilhelm Gustloff“ vor Pommern.© SFVV

„Das schlimmste war für mich der letzte Schrei aus Tausenden von Kehlen“

Die sowjetische Armee stößt am 26. Januar 1945 an das Frische Haff vor. Damit ist Ostpreußen vom Rest Deutschlands abgeschnitten. Es bleibt nur eine Flucht über das zugefrorene Haff. Vielen Flüchtlingen aus Ost- und Westpreußen versuchen jetzt, sich über den Seeweg nach Westen zu retten.

Das ehemalige KdF-Schiff Wilhelm Gustloff dient seit 1939 als Lazarettschiff der Kriegsmarine. Am 30. Januar 1945 verlässt es den Hafen von Gdingen (Gotenhafen) über die Ostsee Richtung Westen. An Bord befinden sich etwa 10.000 Menschen. Neben der Mannschaft und verwundeten Soldaten sind es vor allem Flüchtlinge aus Ost- und Westpreußen. Als das sowjetische U-Boot S-13 das Schiff vor Stolpmünde sichtet, gibt Kommandant Marinesko den Befehl zum Angriff. Getroffen von mehreren Torpedos, sinkt die Wilhelm Gustloff um 22.15 Uhr vor der Küste Pommerns. Bei eisigen Temperaturen sind nur wenige Rettungsboote einsatzbereit, weshalb maximal 1.200 Menschen gerettet werden. Zu ihnen zählt der damals 58-Jährige Heinz von Hagemeister. Wenig später verfasst er einen Zeitzeugenbericht, der die Schiffskatastrophe eindrücklich beschreibt.

„Das Elend war unbeschreiblich. Mütter, die ihre Kinder verloren hatten, Kinder ohne Eltern, Menschen, denen das Entsetzen noch so tief in den Gliedern saß, dass sie ganz apathisch waren und andere wieder, die unaufhaltsam weinten“.

Der Deutschbalte wird 1886 im estnischen Reval geboren und lebt seit den 1920er Jahren in Frankreich. Als die Deutschen Frankreich besetzen, meldet er sich freiwillig für den „Kampf gegen die Bolschewiken“. Er arbeitet von August 1941 bis Oktober 1944 als Dolmetscher für das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete, zuerst im weißrussischen Lida, dann in Estland. Seine Frau Marie ist seit 1942 Dolmetscherin beim Flugzeugwerk Gotenhafen, dort ist Hagemeister seit Herbst 1944 ebenfalls tätig. Beide sollen gemeinsam mit der Belegschaft des Flugzeugwerks evakuiert werden. Ihnen gelingt es, in einem Rettungsboot das sinkende Schiff zu verlassen. Später nimmt sie ein Kriegsschiff an Bord, das das Ehepaar Hagemeister nach Saßnitz auf Rügen bringt. Sie gehören zu den wenigen Überlebenden. „Das schlimmste war für mich der letzte Schrei aus Tausenden von Kehlen“, berichtet Hagemeister, als die Gustloff endgültig unterging. Am 30. Januar sterben etwa 9.000 Menschen im eisigen Wasser der Ostsee. Damit bleibt der Untergang der Wilhelm Gustloff die größte Schiffskatastrophe in der Geschichte.