„Nun bin ich schon bald eine Woche hier, es ist die Endstation unserer Reise, höchstwahrscheinlich auch meines Lebens. Es sei denn, ein Wunder geschehe.“
Mit diesen eindrucksvollen Worten beginnt Augusta Krüger, geboren 1913 in Danzig, einen der letzten Einträge in ihrem Reisepass. Dieser selbst ist ein einzigartiges Zeugnis ihrer dramatischen Flucht vor der heranrückenden Front im Frühjahr 1945.
Nach dem Ersten Weltkrieg steht Danzig unter Völkerbundmandat. Augusta Krügers Reisepass dokumentiert ihre Danziger Staatsangehörigkeit, eine Besonderheit ihrer Herkunft. Ursprünglich Verkäuferin, arbeitet sie später als Dorfschullehrerin in Marienau bei Danzig. Auf den freien Seiten des Passes schreibt Augusta Briefe und Tagebuchnotizen, die sie nie abschickt, sondern die ihren inneren Kampf und die Hoffnung auf Rettung spiegeln.
Mitte März 1945 flieht Augusta Krüger aus Danzig vor der herannahenden Front. Ihre Eltern muss sie zurücklassen, während sie verzweifelt nach einem Schiff sucht, das sie über die Ostsee in Sicherheit bringen kann. Ihre Flucht führt sie auf der Frischen Nehrung über Kahlberg und Narmeln nach Pillau, einem umkämpften Seehafen. Am Ostersonntag 1945 schreibt sie aus Pillau an ihre Familie: „Noch weiß ich nicht, ob und wie Euch jemals diese Zeilen erreichen. Es drängt mich aber, Euch zu schreiben, wie es mir bisher ergangen ist.“ Ihre Flucht endet vorerst in Groß Hubnicken im Samland in unmittelbarer Frontnähe. Dort verfasst sie am 12. April 1945 einen letzten, verzweifelten Eintrag: „Nun bin ich schon bald eine Woche hier, es ist die Endstation unserer Reise, höchstwahrscheinlich auch meines Lebens. Es sei denn, ein Wunder geschehe.“ Doch an diesem Tag gelingt ihr buchstäblich in letzter Minute schließlich die Flucht – per Schiff über die Ostsee nach Dänemark. Augusta Krüger lebt dort in Flüchtlingslagern und arbeitet als Lehrerin. Sie unterrichtet Kinder, die wie sie selbst auf der Flucht waren. Ihre Erlebnisse beschreibt sie in den freien Momenten ihres Alltags, etwa als sie zum ersten Mal in Dänemark einkaufen geht: „Gestern kaufte ich zum ersten Mal auf Dänisch ein. Wir haben nämlich ein Wörterbuch, woraus ich mir die passenden Wörter herausgesucht hatte. Es war schon sehr schön. Leider haben wir immer noch keine Kronen und dabei kann man sich hier so schöne Kuchen kaufen.“
Erst 1948 kann Augusta Dänemark Richtung westliche Besatzungszonen verlassen. Im Jahr 2015 stirbt sie im Alter von 101 Jahren, nach einem langen Leben, das von den dramatischen Ereignissen des Krieges geprägt war. Ihr Neffe Peter Liebricht übergibt der SFVV den einzigartigen Reisepass seiner Tante 2017.